Islamische Theologie


Navigation und Suche der Universität Osnabrück


Hauptinhalt

Topinformationen

Download

Summer School 2015: Auf den Spuren der islamischen Geschichte im Maghreb

Fez/Meknes/Rabat/Marrakesch (07. - 16.04.2015)

In Kooperation mit der

Vorträge von:

  • Dr. Sa‘duddin al-Othmani - Außenminister a.D.
  • Basima al-Haqqaoui - Familienministerin
  • Prof. Dr. Ahmed al-Abbadi - Vorsitzender der Gelehrtenorganisation Arrabita al-Mohammadiya
  • Prof. Dr. Mohammad ar-Rugui - Rektor der Universität al-Quaraouiyine
  • Prof. Dr. Martin Jung - Universität Osnabrück
  • Prof. Dr. Yaşar Sarıkaya - Universität Gießen

Offene Menschen, verschlossene Moscheen

Bericht der Summer School 2015 des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück in Marokko von Martin H. Jung  

Die vierte Summer School des Instituts für Islamische Theologie wurde 2015, schon im Frühjahr, in Marokko durchgeführt. 44 Lehrende und Studierende des Instituts machten sich direkt nach Ostern auf den Weg zu einer von Dr. Lahbib El Mallouki (Duisburg) sehr gut vorbereiteten und organisierten Reise. Eine Summer School bereichert das Lehrangebot in einem nicht zu unterschätzenden Maß. Über die Vermittlung von Informationen und Kompetenzen hinaus, wie sie der normale universitäre Alltag bietet, ermöglicht sie Anschauung sowie die Begegnung mit fremden Lernkulturen. Sie ermöglicht ferner gemeinsame spirituelle Erfahrungen sowie ein vertieftes, auch persönliches Kennenlernen zwischen Lehrenden und Studierenden, wobei nicht selten auch existenzielle Dimensionen des Glaubens zur Sprache kommen. Die Summer School in Marokko hatte fünf Stationen: Fes, Meknes, Rabat, Marrakesch und Arhbalou, und keine möchte man missen. Im Zentrum der Reise standen Fes und Marrakesch und die Begegnungstage mit der renommierte Universität al-Qarawīyīn. In Fes, wo die Universität ihr Zentrum hat, empfing die Gäste aus Deutschland der Vizepräsident, Prof. Dr. Idris Jouilel, in Marrakesch wurde die Fakultät für arabische Sprache besucht. Zu jedem Stadtbesuch gehören selbstverständlich auch Stadtführungen. Sowohl Fes als auch Marrakesch haben eine beeindruckende Altstadt (Medina) mit verwinkelten Gassen, die Einblicke in die traditionelle Händler- und Handwerkerkultur des Landes bieten. Das Feilschen um den angemessenen Preis für Waren und die mitunter grenzwertigen hygienischen Bedingungen lösten unter den Teilnehmern ebenso Diskussionen aus wie die Frage, ob beim offenen Schlachten der Hühner an den Ständen wirklich alle religiösen Vorschriften beachtet wurden. Glücklich war, wer sich durch Kenntnisse des Arabischen, die in der Gruppe durchaus vorhanden waren, mit den Einheimischen, auch mit einfachen Menschen, verständigen konnte.

Sowohl Fes als auch Marrakesch sind alte Königsstädte. Auch Meknes, wohin ein Tagesbesuch führte, ist eine Königsstadt. Insgesamt zählte und zählt Marokko vier Königsstädte. Die alten, von Neubauten ergänzten Palastanlagen mit ihren riesigen Gärten nutzt der König noch heute. Alle werden gepflegt, sind bewohnt und stehen bereit für den Fall, dass der König mit seiner Familie plötzlich kommen würde. Besichtigt werden können sie jedoch leider nicht. Ersatz bietet die heute nicht mehr genutzte Palastanlage de Bahia in Marrakesch, die uns durch einen nicht nur orts-, sondern auch äußerst geschichtskundigen Führer gezeigt und erklärt wurde.

Über den König, es regiert seit 1999 Mohammed VI., wurde viel gesprochen auf der Reise. Die einheimischen Gesprächspartner lobten ihn unisono als kompetent und erfolgreich und als großen Reformer, der Marokko mit seiner klugen und geschickten Politik dramatische Entwicklungen und Erfahrungen, wie sie Tunesien, Libyen und Ägypten gemacht haben und noch machen, erspart habe. Der König ist im Bild überall präsent, mal würdevoll abgebildet, mal leger, als Staatsmann oder als Familienmensch, als Politiker oder als Sportler. Dass wirklich alles so gut ist, wie alle, wirklich alle einheimischen Gesprächspartner beteuerten, mag man bezweifeln. Vielleicht neigt man als Deutscher zu zuviel Selbstkritik und zu zuwenig Identifikation mit dem eigenen Land, auch bei Begegnungen mit ausländischen Besuchern. Aber ein wenig erinnerten mich die Gespräche und Begegnungen in Marokko doch an den uniformen und apologetischen Stil, den ich in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in Osteuropa einschließlich der DDR erlebt hatte. Das Land legt, auch das wurde deutlich, auf Sicherheit großen Wert. Nicht nur die Palastanlagen des Königs sind streng bewacht, sondern überall in den Städten patrouillieren kleine bewaffnete Teams von zwei Soldaten und einem Polizisten. Auf den Überlandstraßen gibt es zahlreiche Polizeikontrollen, und je näher man den Städten kommt, in desto dichterer Folge sind sie anzutreffen.

Der regelmäßige Besuch von Moscheen, nicht nur zu touristischen Zwecken, war auf der Reise selbstverständlich. Zwei Dinge überraschten die Teilnehmer und sorgten für Diskussionen. Zum einen die Tatsache, dass alle Moscheen nur zum Gebet geöffnet, ansonsten aber verschlossen waren. Die einheimischen Gesprächspartner begründeten das mit praktischen Argumenten. Eine ständige Öffnung würde eine ständige Beaufsichtigung notwendig machen. Doch es stellt sich die Frage, ob nicht auch Sicherheitserwägungen eine Rolle spielen könnten. Im Umfeld von Moscheen treffen und sammeln sich mitunter auch gerne fanatische Kreise. So oder so: Religion ist in Marokko staatlich organisiert und kontrolliert. Es herrscht ein einheitlicher Staatsislam. Überrascht waren die Teilnehmer auch von der Tatsache, dass Nicht-Muslimen das Betreten sämtlicher Moscheen strikt verboten ist. Die einheimischen Gesprächspartner führten diese Regelung auf die Franzosen und die Kolonialzeit zurück. Doch diese ist längst vergangen, und warum befolgt sie Marokko, ein Land, das religiöse Pluralität bejaht, noch heute? In der Reisegruppe wurde darüber diskutiert, dass auch theologische Begründungen eine Rolle spielen und die in Marokko herrschende malikitische Rechtsschule dahinter stehen könnte, die das im Koran zu findende Verbot, dass Nicht-Muslime die heiligen Stätten, gemeint sind Mekka und Medina, betreten, auf alle heiligen Stätten im weiteren Sinn, also auch auf alle Moscheen ausweitet.

Am Eingang der Moscheen stehen Wächter. Sie entscheiden, zunächst einmal, nach dem Aussehen. Wer touristisch und westlich aussieht, dem wird das Betreten zunächst energisch verwehrt. Nur nach mehrfacher ausdrücklicher Zusicherung, Moslem zu sein, am besten in arabischer Sprache, durften einige der Teilnehmer die Gebetshäuser dennoch betreten. Auch ansonsten taxierten uns die Einheimischen, wie das immer und überall geschieht, zunächst einmal nach dem Äußeren. Den jungen Damen in der Gruppe wurde mehrfach „Türken, Türken“ nachgerufen. War es freundlich gemeint? Die Türkei als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches hatte die Selbstständigkeit Marokkos einst bedrohte, nachdem es im 16. Jahrhundert weite Teile Nordafrikas unterworfen hatte. Damals kämpfte das islamische Marokko gemeinsam mit dem christlichen Spanien gegen die islamische Türkei. Im Rahmen eines instruktiven Studientages an der altehrwürdigen al-Qarawīyīn-Universität von Fes beschäftigten wir uns eingehend mit Geschichte und Gegenwart Marokkos. Der Vizepräsident der Universität, Prof. Dr. Idris Jouilel, begrüßte die Besucher. Prof. Dr. Idris Jouilel informierte uns über die spannende Geschichte der Universität, die bereits 859 gegründet worden war. Gemeinhin liest man in Handbüchern der Universitätsgeschichte, die Universität als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden sei eine Erfindung des Abendlandes in der Epoche des Mittelalters. Salerno, Bologna und Paris werden genannt. Doch könnte es nicht sein, dass die europäischen Gründungen von islamischen Vorbildern inspiriert waren? Hierauf könnte schon der Begriff Universität, universitas, Gemeinschaft hinweisen, denn das alte arabische Wort für eine Universität (dschāmi at) hat die gleiche Wortbedeutung: Vereinigung.

In einem weiteren Vortrag gab Prof. Dr. Jamila al-Ammari als Vertreterin der kurzfristig verhinderten Bildungsministerin einen Überblick über die aktuelle Bildungssituation in Marokko und die Bildungsanstrengungen der Regierung, die vor allem versucht, die ländliche Bevölkerung und die Frauen zu erreichen. In Marrakesch und in Meknes stand der Besuch alter, noch vor wenigen Jahrzehnten benutzter Schulen (Medersa Ben Youssouf, Medersa Bou Inania) auf dem Programm, in denen vor allem die Besichtigung der ehemaligen „Studentenbuden“ Eindruck machte. Als Besucher bekam man ein lebendiges Bild davon, wie hier einst gelehrt und gelernt wurde. Die Anlage der Studentenzimmer hatte etwas Klösterliches. Könnte die islamische Schularchitektur von christlichen Klöstern mit ihren Zellen inspiriert worden sein? Ein zweiter Studientag fand an der Fakultät der arabischen Sprache in Marrakesch statt. Hier begrüßte uns der Vizepräsident Rida Ibrahim. Der ehemalige Außenminister des Landes, Prof. Dr. Saad Eddine el Osmani, referierte über Marokko als Teil Afrikas. Hierbei wurde, für alle Teilnehmer der Reisegruppe neu und überraschend, deutlich, dass Marokko bei der Modernisierung Afrikas eine bedeutende Rolle gespielt hat. Marokko unterstützte die afrikanischen Befreiungsbewegungen in der zweiten Hälfte de 20. Jahrhunderts. Insbesondere spielte es eine große Rolle beim Wandel in Südafrika. Enge Beziehungen bestanden zu Nelson Mandela. Problematisch waren und sind allerdings die Beziehungen zu Algerien. Die Grenze ist seit Jahrzehnten geschlossen. Eine Änderung ist nicht in Sicht. Immerhin gibt es keine offenen Konflikte.

In einem weiteren Referat gab Prof. Dr. Ahmad Ammalik einen Überblick über die Geschichte von Marrakesch und seine Kunstdenkmäler. Frau Nazha El Wafi referierte über die Rolle der Frau in Marokko und schilderte die Erfolge und Bemühungen der Regierung um Gleichberechtigung. Die Reisegruppe traf auch auf marokkanische Studenten und Universitätsmitarbeiter, die in Deutschland studiert hatten. Verschiedene Vorträge studentischer Teilnehmer der Reise beschäftigten sich mit der Geschichte von Marrakesch sowie mit großen islamischen Gelehrten, darunter dem Mystiker Ibn Arabi. Ein besonderer Höhepunkt der Reise war der eingehende Besuch des alten jüdischen Viertels von Fes, in dem heute freilich keine Juden mehr leben. Der Baustil der Gebäude unterscheidet sich mit ihren zur Straße hin ausgerichteten offenen Balkonen, geeignet für die Feier des Laubhüttenfestes, bei dem der fromme Jude im Freien, mit Blick auf den Sternehimmel übernachtet, von der nach innen gekehrten ortsüblichen Bauweise. Marokko zählte eine kontinuierliche jüdische Besiedelung von Beginn der jüdischen Diaspora an und beherbergte einmal über zweihunderttausend Juden. Heute sind es keine 2000 mehr. Das ehemalige Judenviertel von Fes hat sehenswerte, teilweise mit deutschen Geldern restaurierte alte Synagogen sowie einen beeindruckenden Friedhof mit mehreren Gräbern von Heiligen. Jüdische (und islamische) Heilige werden in Marokko als Marabut bezeichnet. Im Rahmen der jüdischen Mystik entwickelte sich ähnlich wie im Kontext der islamischen Mystik eine mit der christlichen verwandte Form der Heiligenverehrung, zu der auch der Besuch der Grabstätten gehörte, was zu einer Umgestaltung der Grabstätten in Denkmäler führte. Die marokkanischen Gesprächspartner betonten das friedliche Miteinander von Juden und Moslems in Marokko heute. Allerdings zogen wir beim Verlassen des Friedhofs auch missbilligende Blicke von Einheimischen auf uns und hörten Bemerkungen wie: „Was wollt ihr denn bei den Juden?“

Selbstverständlich leben in Marokko auch Christen, heute etwa 30.000, vor allem aber Ausländer. Blickt man zurück in die Geschichte, so entdeckt man, dass Marokko für die Geschichte des Christentums früher durchaus von Relevanz war. Wahrscheinlich im zweiten, spätestens im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, nach den Juden, aber vor den Moslems, lebten Christen in Marokko, denn das heutige Marokko war Teil des römischen Weltreiches. Christliche Gemeinden gab es in den Städten, unter Griechen und Römern, die in Marokko lebten, aber auch in der indigenen Bevölkerung, auch unter den Berbern. Merkwürdig ist, dass das christliche Marokko nach der Eroberung durch die arabischen Stämme im 7. und 8. Jahrhundert allmählich unterging. Anders als in anderen alten christlichen Regionen, in denen der Islam Fuß fasste, gab es in Marokko bald schon keine christliche Minderheit mehr. Während sich in Ägypten oder im Orient große christliche Gemeinden hielten, bis in die Gegenwart, schlossen sich die Christen Marokkos – und Nordafrikas – nach kurzer Zeit alle dem Islam an. Was waren die Gründe? Möglicherweise lag es daran, dass die Christen Marokkos und Nordafrikas schon vor der Begegnung mit dem Islam eine Form des Christentums entwickelt hatten und praktizierten, die sie in Distanz zu Rom und Konstantinopel gebracht hatte und die den religiösen Formen und Inhalten des Islam nahe stand. Im Hintergrund dieser Entwicklung stehen der donatistische Streit des 4. Jahrhunderts sowie das Königreich der Vandalen im 5. und 6. Jahrhundert. Die Donatisten Nordafrikas wollten eine strenge Heiligung des Alltags und stellten hohe ethische Anforderungen, auch asketischer Art. Die Vandalen vertraten eine arianische Christologie, widersprachen also der 325 zum Dogma erhobenen Trinitätslehre. Beide Ausrichtungen zusammen könnten den Grund gelegt haben für die spätere Akzeptanz des Islam unter den Christen Nordafrikas und Marokkos.

Das heutige Christentum in Marokko ist nicht augenfällig. In Rabat stößt man, unweit des Bahnhofs, allerdings auf eine stattliche, 1919-1930 erbaute Kathedrale. Sie ist, anders als die Moscheen, tagsüber geöffnet und bietet für Christen und Nichtchristen kommunikative Angebote wie zum Beispiel eine Bibliothek. In Rabat gibt es ein intensives christliches Gemeindeleben, und auch die Kirche mit ihren Nebenräumen war mitten am Tag durchaus belebt. Ausnahmslos hatten die Christen, die in und um die Kirche anzutreffen waren, eine schwarze Hautfarbe. In Marokko gibt es eine starke Einwanderung aus den Ländern Schwarzafrikas, zu denen die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen traditionell eng waren. Marokko ist Einwanderungsland. Marokko ist aber auch Transitland. Nicht wenige Schwarzafrikaner sind an großen Straßenkreuzzungen zu beobachten, die offenkundig auf dem Weg sind nach Europa. Manche verdienen sich durch Tanzen und Turnen an öffentlichen Plätzen etwas Kleingeld. Mitunter tragen sie T-Shirts, auf denen das Ziel ihrer Hoffnung zu lesen ist: Spanien. Die Bevölkerung Marokkos, vor allem der Städte, ist ethnisch bunt gemischt. Marokkaner können aussehen wie Araber, wie Europäer, wie Afrikaner und natürlich wie Berber. Die Stammbevölkerung, die Berber, deren eigentliche Herkunft man nicht genau kennt, aber im Osten, im Orient vermutet, lebt in ethnisch einigermaßen geschlossener Form noch in den Gebirgsregionen des Hohen Atlas, dessen im Frühjahr noch schneebedeckten Berge sowohl von Fes wie von Marrakesch aus zu sehen sind. Ein Tagesausflug von Marrakesch aus führte an die Grenze des bewaldeten Gebirges, in das wasserreiche Tal von Ourika. Hier war noch ein Stück weit das ursprüngliche Marokko zu erleben, obwohl die Gebäude auch hier noch nicht, wie im Hohen Atlas, aus Lehm gebaut waren. Am Horizont leuchtete der schneebedeckte Toubkal (4165 m).

Marokko ist ein geschichtsträchtiges Land. Auch auf Spuren der Römer stößt man noch bei beinahe jedem Schritt. Eindrücklich war der Besuch in Volubilis, der ehemaligen römischen Hauptstadt der Provinz Mauretania Tingitana, wie Marokko vor zweitausend Jahren hieß. Teile der Stadtanlage, darunter auch Tempel, sind rekonstruiert. Es veranlasst schon sehr zum Nachdenken, zu sehen wie die Römer zweitausend Kilometer von ihrer Hauptstadt entfernt exakt die gleiche Architektur boten wie zu Hause. In Marokko wird viel gebaut. Der Besucher hat den Eindruck, dass sich in dem Land viel tut. Wer gerne reist, kennt auch andere Länder, Länder, die in Lethargie erstarrt sind, wie zum Beispiel Bulgarien. Das ist in Marokko nicht so. Auch die Menschen selbst strahlen Engagement und Energie aus. Woher das Geld kommt für die Investitionen, erschließt sich dem Besucher nicht. Der Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle für das Land, doch abgesehen von Marrakesch war der Tourismus nicht augenfällig.

Als Folge der vermutlich auch ausländischen Investitionen sind in den großen Städten Shopping-Center nach europäischem Vorbild entstanden, in denen internationale Mode- und Kosmetikmarken ihre Produkte anbieten und in Supermärkten selbstverständlich auch Alkohol verkauft wird. Betritt man diese modernen Konsumtempel mit Musikberieselung, lässt man Arabisch-Afrika hinter sich. Hier tragen Verkäuferinnen wie Käuferinnen keine Röcke und keine Kopftücher, sondern eng anliegende Jeans. Ein ganz traditionelles Marokko wurde uns dagegen in einem Vorort von Rabat geboten, wo Berber-Clans ihre alljährlichen Pferdewettkämpfe durchführten. Traditionell gekleidete und bewaffnete Reitergruppen demonstrierten, wie früher auf den Feind zugestürmt und diesem Schrecken eingejagt wurde. Zum Glück hatten die Reiter in traditionellen Gewändern ihre bunt geschmückten Hengste so gut im Griff, dass sie immer ein, zwei Meter vor dem Publikum Halt machten. Und auch die Gewehre waren zum Glück nur mit Platzpatronen geladen. Das nicht für Touristen gedachte, sondern für Einheimische gemachte Spektakel vermittelte einen faszinierenden Eindruck davon, wie früher Berbertruppen gekämpft haben. Die Reise war rundum sehr belehrend. Das gilt sogar noch für Programmpunkte, die auf den ersten Blick nun wirklich ganz und gar touristisch wirken wie der Besuch eines traditionellen marokkanischen Bades. Eine Badanlage in Marokko hat nämlich nicht viel gemeinsam mit einem türkischen Bad und erst recht nicht mit einer nord- oder osteuropäischen Sauna, sondern ist ein direktes Nachfolgemodell des alten römischen Bades. Wie die Römer reihen sich ein Kalt-, ein Warm- und ein Heißbad hintereinander. Wer also in Marrakesch baden ging, erlebte hautnah alte römische Kultur und kann sich besser vorstellen, wie einst auch in Trier und in Köln gebadet wurde. Ich selbst war 1993 schon einmal in Marokko, hatte mich damals allerdings fast ausschließlich im Hohen Atlas aufgehalten und nur an einem einzigen Tag Marrakesch kennengelernt. Marokko ist auch nicht das einzige arabische Land, das ich kenne. Allerdings habe ich zum ersten Mal ein arabisches Land unter den Hauptaspekten Religion und Universitätsleben bereist und nicht unter rein touristischen Aspekten. Als Historiker und christlicher Theologe, unterwegs mit einer muslimischen Reisegruppe, habe ich häufig eine vergleichende Perspektive eingenommen. Auch als Fachmann ist man immer wieder erstaunt darüber, wie sich Judentum, Christentum und Islam durch die ganze Geschichte hindurch gegenseitig inspiriert und befruchtet haben.

Was nehmen Studierende der Islamischen Theologie mit von einer Summer School in Marokko? Sie haben – ein weiteres – vom Islam geprägtes Land kennengelernt, mit seinen Eigenarten. Sie haben erneut gehört und gesehen, wie unterschiedlich sich islamische Kultur, auch islamische Theologie in verschiedenen Ländern geschichtlich entfaltet hat und wie unterschiedlich sie sich in der Gegenwart präsentiert. Wer Marokko kennengelernt hat, kann in Deutschland auch besser mit Menschen arbeiten, die oder deren Eltern aus diesem Land kommen. Besonders hervorhebenswert ist, dass die Organisatoren der Summer School konsequent darauf geachtet haben, in ihre Reise in das islamisches Land Elemente des interreligiösen Dialogs zu integrieren, Begegnungen mit dem Judentum und dem Christentum des Landes in Geschichte und Gegenwart. Exkursionen und Summer Schools bereichern das Studium und zahlen sich aus. Für die Organisatoren stellen sie allerdings einen im Vergleich zum normalen Studienbetrieb erheblich gesteigerten Aufwand dar. Aber dieser Aufwand lohnt sich. Lernprozesse verbunden mit Anschauung und Erfahrung prägen junge Menschen nicht nur bis zur Klausur oder bis zum Examen, sondern für ihr ganzes Leben. Mir selbst ist unvergesslich, wie einmal eine Studentin am Ende ihres Studiums zu mir kam und sagte, die Studienwoche mit mir in einem Kloster in Assisi sei mit Abstand die für sie eindrücklichste Studienerfahrung gewesen. Vielleicht werden einige studentische Teilnehmer der Summer School 2015 in drei oder fünf Jahren ähnlich von den Informationen und Inspirationen in Marokko berichten.